Wieder atmen lernen - Im Gespräch mit Elena Jäck, Atmungstherapeutin auf der Weaning-Station

Eines der wenigen zertifizierten Weaning-Zentren im Rhein-Main-Gebiet befindet sich an der Klinik für Pneumologie, Kardiologie und Beatmungsmedizin des Bürger­hospitals Frankfurt. Die Klinik verfügt über 30 Betten; acht davon stehen für Weaning-Patient:innen bereit, die oft auch aus anderen Kranken­häusern verlegt werden. Hier kümmert sich ein großes Team von Fachkräften um die Beatmungs­ent­wöhnung lang­zeit­beatme­ter Intensivpatient:innen. Elena Jäck, Atmungstherapeutin auf der Station, berichtet über ihre Arbeit.

Frau Jäck, mit welchen typischen Patient:innen haben Sie zu tun?

Wir haben mit ganz verschiedenen Krank­heits­bil­dern zu tun. Zum einen gibt es die Patienten mit Lungen­erkrankungen wie Pneumonie, COPD, chronischer Bronchitis, aktuell COVID-19, die oft längere Zeit intubiert im Koma lagen. Zum anderen haben wir Patienten mit neuromuskulären Erkrankungen, wie zum Beispiel Multipler Sklerose. Sie sind nicht ursächlich lungenkrank, sondern leiden an einer Mukelschwäche, die ihnen das Atmen, Schlucken und Husten erschwert. Der Großteil unserer Patienten wird mit einer Beamtmungskanüle in der Luftröhre beatmet, was auch im Wachzustand für die meisten tolerierbar ist. Das dazugehörige Beatmungsgerät kann man sich wie einen kleinen Koffer vorstellen, den die Patienten immer bei sich haben müssen.

Was ist Ihr Behandlungsziel?

Der Weg zur vollständigen Beatmungs­ent­wöhnung kann mitunter lang sein und manchmal können wir dieses Ziel auch nicht erreichen. Wir schauen immer, was im Einzelfall möglich ist, um die Lebensqualität des Patienten zu steigern. Wichtig für die Patienten ist es zum Beispiel, selbstständig essen und sprechen zu können. Dies ist mit viel Übung unter Anleitung unserer Logopäden auch in vielen Fällen möglich.

Wie sehen konkrete Thera­pie­mö­glich­keiten aus?

Ein Hauptaufgabenfeld der Atmungstherapeuten ist das Sekretmanagement, das bedeutet, die Lunge bei ihrer Funktion und Reinigung zu unterstützen. Dafür stehen uns eine Reihe von Hilfsmitteln zur Verfügung. Wir wenden zum Beispiel Inhalationstherapien an oder zeigen den Patienten atemtherapeutische Übungen, mit denen sie das Atmen „neu lernen“ können oder die ihnen das Abhusten erleichtern. Auch bestimmte Lagerungen im Bett oder Rollstuhl können helfen. Zusätzlich haben wir die Möglichkeit apparativer Unterstützung. Der Hustenassistent beispielsweise funktioniert wie eine Art Staubsauger für die Lunge. Bei der Hochfrequenz-Oszillationstherapie wirken von außen Druckwellen auf den Brustkorb ein, wodurch der Schleim lockerer wird und einfacher abgehustet werden kann.

Was geschieht, wenn Patient:innen nicht entwöhnt werden können?

Die Patienten, die wir bei uns auf Station nicht vollständig von der Beatmung entwöhnen konnten, die aber trotzdem so weit stabil sind, dass sie nach Hause entlassen werden können, betreuen wir in Zusammenarbeit mit dem Hausarzt auch langfristig in der sogenannten Heimbeatmung (Respiratory Care Unit, RCU). Diese Patienten werden zuhause mit allen nötigen Gerätschaften sowie einer häuslichen Pflegekraft ausgestattet. In regelmäßigen Abständen kommen sie zur Kontrolle zu uns. Wir überprüfen dann, inwieweit die Beatmung weiter fortgeführt werden muss und ob die Thera­pie­maß­na­hmen angepasst werden sollten.

Wie lange dauert die Entwöhnung im Schnitt?

Das ist sehr unterschiedlich. In der Regel haben die Patienten einen längeren Kran­ken­haus­auf­ent­halt hinter sich. Die Entwöhnung bei uns auf Station dauert häufig nochmal drei bis vier Wochen, teilweise auch länger.

Hat sich im Rahmen von COVID-19 etwas an Symptomatik oder Behand­lungs­an­satz verändert?

Im Prinzip kann COVID-19 eine schwere Lungen­entzündung bis hin zum Lungenversagen verursachen. Das kennen wir von anderen Erregern und wissen durch Standards und Empfehlungen, wie man den passenden Behand­lungs­an­satz wählt. Bei der genannten Symptomatik wird zunächst eine Hochflusssauerstofftherapie gewählt, oft wird dann auch eine Beatmung notwendig, die mit regelmäßiger Bauchlage kombiniert wird.

Welche Schwierigkeiten können während der Therapie auftreten?

Bei unserem typischen Klientel, Patienten mit COPD, kann es kurzzeitig zu Kreislaufinstabilität mit Entsättigungen oder Blutdruckschwankungen kommen. Die Patienten sind daher monitorüberwacht, damit wir frühzeitig darauf reagieren können. Was ebenfalls nicht zu unterschätzen ist, ist die Angst der Patienten. Viele leiden unter ständigen Luftnotattacken.

Wie ist die Zusammenarbeit zwischen den einzelnen Berufsgruppen?

Allgemein wird mit allen Berufsgruppen immer kommuniziert und es werden Absprachen getroffen. Wichtig ist, die Abläufe mit der betreuenden Pflegekraft genau zu koordinieren. Bei der Morgenvisite wird dazu täglich ein Protokoll ausgefüllt, in dem ein Tagesziel für die Patienten festgelegt wird. Der Umgang zwischen den Kollegen ist respektvoll und wertschätzend. Jede Berufsgruppe hat einen wichtigen Part im Weaning-Prozess. Wir müssen Hand in Hand arbeiten, damit die Patienten gut betreut sind.

Was ist besonders herausfordernd an der Arbeit auf der Weaning-Station im Vergleich zu anderen Stationen?

Für mich persönlich die Biografie der Patienten. Durch den längeren Aufenthalt bei uns lernt man sie näher kennen, ihre Familien, das häusliche Umfeld. Durch diesen engeren Kontakt können Erwartungen und Hoffnung enstehen, die manchmal nicht in Erfüllung gehen. Aber häufig können die Patienten mit ein wenig Einschränkungen wieder in ihr altes Leben zurückkehren. Wir bekommen dann oft ein positives Feedback, was mich sehr in meiner Arbeit bestätigt.

Welchen Weg muss man einschlagen, um sich als Fachkraft für Atmungs­therapie zu qualifizieren?

Voraussetzung ist eine abgeschlossene Berufsausbildung in der Gesundheits- und Kranken­pflege oder Physiotherapie und mindestens zwei Jahre Berufserfahrung. Daran kann man dann eine Weiter­bildung zum Atmungstherapeuten anschließen. Es ist von Vorteil, im Bereich der Pneumologie Kenntnisse zu haben sowie Erfahrung im Arbeiten auf einer Intensiv- oder Weaningstation. Persönliche Eigenschaften wie Empathie und Teamfähigkeit sind ebenfalls wichtig.

Warum haben Sie persönlich sich für diesen Weg entschieden?

Nach fünf Jahren auf der Intensivstation A wollte ich mich gerne weiterentwickeln. Ich konnte die Weiter­bildung 2016/2017 absolvieren, seitdem arbeite ich als Atmungstherapeutin neben meinen beiden Kolleginnen Elvira Heil und Regina Kohnke auf der ITS A und B.

Was gefällt Ihnen besonders gut am Bürgerhospital?

Wir haben hier ein großes und sehr gut ausgebildetes Team, speziell hinsichtlich der Weaning-Patienten. Der unkomplizierte und ständige Austausch mit Chefarzt Dr. med. Henry Schäfer und den Oberärzten Björn Bucher und Daniel Schlageter erleichtert die Arbeit erheblich. Ganz besonders an der Arbeit hier ist auch die familiäre Atmoshäre, der wertschätzende Umgang miteinander und die Hilfsbereitschaft auf allen Ebenen.

Klinik für Pneumologie, Kardiologie und Beatmungsmedizin mit Sektion Gastro­en­te­ro­logie

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