Wenn die Lunge schwächelt - chronische und allergische Erkrankungen der Atemwege

Am Clementine Kinder­hospital besteht seit über 25 Jahren eine Spezialambulanz für Kinder mit chronischen Lungenerkrankungen und allergischen Erkrankungen der Atemwege. Jährlich werden dort circa 1.400 Kinder und Jugendliche ambulant und teilweise tagesstationär behandelt. Zugewiesen werden sie von den niedergelassenen Kinderärzten und Pneumologen aus der Region. Oberarzt Dr. med. Richard Kitz zeigt anhand zweier Beispiele, wie seine Ambulanz den jungen Patienten helfen kann.

Florian* - ein ungewöhnlicher Fall

Florian ist ein bisher gesunder siebenjähriger Junge. Seit einem Jahr hustet er jedoch häufig und hat in dieser Zeit bereits drei Lungenentzündungen durchlebt. Trotz vielfältiger Untersuchungen konnte sein Zustand lange nicht erklärt werden. Das letzte Röntgenbild zeigt eine chronische Entzündung eines Lungenlappens, also einen zunehmenden Befund. Deshalb wurde er bronchoskopiert. Dabei wird ein Endoskop über den Mund und die Luftröhre in die Lunge eingeführt. Die Ärzte fanden im rechten Unter­lap­pen­bron­chus erstaunlicherweise einen eingewachsenen Fremdkörper, der sich als Teil eines Tannenzapfens entpuppte. Im Gespräch nach der Narkose erinnerte sich Florian plötzlich daran, dass er vor einem Jahr auf einem Klassenausflug im Wald einem Freund geholfen hatte, auf einen Baum zu klettern. Dabei waren Baumteile heruntergefallen, woraufhin er plötzlich fürchterlich hatte husten müssen. So war das Tannen­zap­fen­stück in die Lunge gelangt. Eine Bronchitis hatte er aber erst eine Woche später entwickelt, wie seine Geschwister auch. Aus diesem Grund hatten weder er noch seine Mutter einen Zusammenhang zu dem Kletterausflug hergestellt. Mittlerweile ist das Stück Tannenzapfen entfernt und Florian geht es bereits besser.

Lungenfunktionslabor

Natürlich wird nicht sofort bronchoskopiert. Das Herzstück der Basis­un­ter­su­chung chronischer Lungenerkrankungen wie bei Florian ist die Messung der Lungenfunktion. Sie gibt wertvolle Hinweise auf die Art der Erkrankung und den Therapieerfolg im Behandlungsverlauf. Um verlässliche Messwerte zu erhalten, ist eine kindgerechte Erklärung der komplexen Atemmanöver während der Untersuchung unbedingt notwendig. Dazu muss die Angst vor den Maschinen abgebaut und das Kind unterstützt sowie zur optimalen Mitarbeit motiviert werden. In der Kinderheilkunde sind dabei manchmal mehrere Anläufe notwendig, um ein verlässliches Unter­su­chungs­er­gebnis zu erzielen. Die Lungen­funk­tions­un­ter­such­ungen können auch in Kombination mit anderen Verfahren genutzt werden, um z.B. ein Asthma durch körperliche Belastung nachzuweisen. Unter dieser Form des Asthmas leidet auch Thomas, doch lange wurde dies nicht erkannt.

Thomas - unsportlich oder doch Asthma?

Thomas ist beim Sport in der Schule immer schnell erschöpft und klagt dann oft über eine komische Beklemmung im Brustkorb. Er hat ein paar Pfunde zu viel auf den Rippen und wird häufig gehänselt, wenn er beim Fußball nicht hinter den anderen herkommt. Er sitzt meistens auf der Bank der Turnhalle. Wenn die Mutter ihn zum Arzt bringt, kann dieser nichts Ungewöhnliches beim Abhören der Lunge erkennen. Er rät zur Steigerung der sportlichen Belastung und zum Abnehmen des Körpergewichts. Doch dieser Rat hilft nichts. Als Thomas seinen Lieblingssport frustriert hinwerfen will, spricht die Mutter mit Thomas‘ Sportlehrer. Dieser rät ihr, Thomas noch einmal gründlich untersuchen zu lassen. Sie wendet sich an das Clementine Kinder­hospital. Auch in unserer Ambulanz hören wir nichts über der Lunge und die Lungenfunktion in Ruhe ist altersnormal. Aber als Thomas schließlich auf dem Laufband mit zunehmender Geschwindigkeit läuft, fängt er an zu husten. Nach einigen Minuten keucht er und fängt an, angestrengt die Luft herauszupressen. In der Lungenfunktion zeigt sich deutlich die Verengung seiner Bronchien, die über 20 Minuten anhält. Thomas leidet unter einem Belastungsasthma! Natürlich sollte er abnehmen, er braucht aber ebenso ein Asthmamedikament, das ihn vor solchen Situationen schützt, in denen er außer Atem kommt. Das Medikament hilft. Als er während der Therapie nach zwei Monaten wiederkommt, schafft er die geforderte Laufstrecke viel besser und ohne Husten. Der Sportlehrer hat ihn gelobt. Auf der Bank neben dem Spielfeld hat er nicht mehr gesessen.

Asthmaschulung

Bei einer Asthmaerkrankung reicht es jedoch nicht alleine aus, dem Patienten seine Medikamente zu verschreiben und einen detaillierten Anwendungsplan mitzugeben. In vielen Studien konnte gezeigt werden, dass die Therapietreue auch bei schwerer Form einer Asthmaerkrankung rasch abnimmt. Deshalb wurde die Schulung von Patienten mit Asthma bronchiale als Leistung der Kassen etabliert und ein Behandlungskonzept (DMP) entwickelt. Im Mittelpunkt der Schulung steht neben kindgerechter Wissensvermittlung über die Erkrankung, deren Auslöser und Wirkmechanismen der eingesetzten Medikamente die Stärkung der Selbst­wahr­neh­mung und Förderung der eigenen Behandlungskompetenz (Empowerment). Dazu arbeitet ein Team aus qualifizierten Asthmatrainern mit einer Kleingruppe gleichaltriger Kinder an mehreren Nachmittagen zusammen an verschiedenen Themen. Zum Team gehören ein Pädagoge, ein Physiotherapeut/Sportlehrer, ein Arzt und meist eine Kinder­kran­ken­schwester mit einer Ausbildung zum Asthmatrainer. Parallel zu den Patienten erhalten auch die Eltern Informationen und Schulungen sowie Raum für Fragen.

*Name von der Redaktion geändert.

Die Suche nach dem Allergen

80 Prozent der kindlichen Asthmafälle sind allergisch bedingt. Deshalb gehört neben der gründlichen Anamneseerhebung die Allergiediagnostik zur Abklärung der Ursachen. Dabei spielt der Haut-Prick-Test als schnelle und kostengünstige Untersuchung eine wesentliche Rolle. Damit lässt sich parallel eine Vielzahl an Allergenen am Patienten testen. Neben dem Standardtest mit den häufigsten Allergenen lässt er sich individuell aus den verdächtigen Substanzen aus der Umwelt des Kindes, je nach den vermuteten Auslösern, zusammenstellen.

Nicht immer lässt sich eine allergische Reaktion jedoch eindeutig zuordnen. Manche Patienten haben mehrere Allergien oder der Test zeigt zunächst nur eine Sensibilisierung (Vorstufe der Allergie) an: Es ist dann zu klären, ob das Kind tatsächlich an einer Allergie gegen Hundehaare oder doch an einer gegen Hausstaubmilben leidet. In diesen Fällen werden die Patienten mit dem vermutlich relevanten Allergen in der Ambulanz provoziert. Das heißt das Immunsystem wird gezielt mit einer niedrigen Dosis des vermuteten Auslösers konfrontiert. So kann man unnötige Empfehlungen zur Allergenvermeidung verhindern oder aber das richtige Allergen für eine spezifische Allergietherapie auswählen.

Mit der spezifischen Allergietherapie (Hyposensibilisierung) steht die bisher einzige Therapie zur Verfügung, die wieder eine Toleranz gegen das Allergie auslösende Allergen herstellen kann. Da diese Therapie langwierig ist und wegen häufiger Behand­lungs­termine eine hohe Disziplin erfordert, ist die richtige Allergenauswahl entscheidend für den Behand­lungs­er­folg.

Bei Insek­ten­gift­al­ler­gi­kern steht am Ende der Behandlung zum Beispiel oft die Frage: Was passiert eigentlich wirklich, wenn ich nochmal gestochen werde? In einigen Fällen kann man eine sichere Empfehlung zum Verhalten nur geben, wenn man unter stationärer Überwachung eine echte Stichprovokation durchführt, die dem Patienten die Gewissheit gibt: Auch im Wald, fernab medizinischer Notfall­ver­sor­gung, kann mir ein Wespenstich nichts mehr anhaben.

Dr. Sherlock

Die Allergologie kann man mit einer Detektivarbeit vergleichen: Am Anfang steht die ausführliche Befragung, bei Kleinkindern auch der Zeugen (Eltern), dann folgen Untersuchungen der Spuren bis hin zur „Tatortbesichtigung“. Es folgen Labor­un­ter­such­ungen, Gegen­über­stel­lungen. Im Anschluss müssen die Fakten diskutiert und bewertet werden, bevor einschneidende Maßnahmen ergriffen werden. So vergeht manchmal viel Zeit, bis der Fall tatsächlich „geklärt“ ist. Doch wenn Patienten und Eltern gut mitarbeiten, lohnt sich die Detektivarbeit, denn mit der Hyposensibilisierung kann einer erheblichen Anzahl Patienten gut geholfen werden.

Oberarzt
Dr. med. Richard Kitz

Weiterführende Informationen

Die Spezialambulanz

Das Team der Ambulanz am Clementine Kinder­hospital besteht aus einem Kinder­pneu­mo­logen, einem Kinderarzt in der Weiter­bildung für Kinder­pneu­mo­logie, einer Kinder­kran­ken­schwester mit der Zusatzausbildung in der Atemtherapie und einer Sekretärin in Teilzeit für das Terminmanagement. Nachmittags wird eine Sprechstunde angeboten. Vormittags bestehen Möglichkeiten zur tagesklinischen Behandlung. Im Bürger­hospital besteht eine Kooperation mit der Kinderchirurgie und Anästhesie, um Kinder stationär für eine Bronchoskopie aufzunehmen.  

Die Ambulanz ist eng mit der Tagesklinik am Clementine Kinder­hospital verbunden. Viele Tests sind zeitlich sehr aufwändig und bedingen eine Beobachtungszeit, die in einer Praxis unter ambulanten Bedingungen nicht durchführbar ist. Hierzu zählen Nahrungsmittel- oder Arznei­mit­tel­pro­vo­ka­tionen bei Kindern mit anaphylaktischen Reaktionen in der Vorgeschichte. In zunehmender Dosis wird ein verdächtiges Nahrungsmittel dem Kind gegeben und die Reaktion darauf dokumentiert. Oft muss das Nahrungsmittel verblindet werden, um psychologische Aspekte oder Aversionen von der echten Allergie abgrenzen zu können. Dazu werden Geschmacks- oder Farbveränderer zugegeben und Place­bo­kon­trollen eingestreut. Andere Kinder bekommen eine Spei­se­röh­ren­sonde (Impedanz-pH-Metrie) eingelegt, um z.B. einen gastroösophagealen Reflux mit Aspiration in die Atemwege ausschließen zu können. In solchen Fällen stehen die Räumlichkeiten der Tagesklinik mit Überwachungsbetten zur Verfügung.

Klinik für Pneumologie und Allergologie am Clementine Kinder­hospital

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Nicht immer lässt sich eine allergische Reaktion jedoch eindeutig zuordnen. Manche Patienten haben mehrere Allergien oder der Test zeigt zunächst nur eine Sensibilisierung (Vorstufe der Allergie) an: Es ist dann zu klären, ob das Kind tatsächlich an einer Allergie gegen Hundehaare oder doch an einer gegen Hausstaubmilben leidet. In diesen Fällen werden die Patienten mit dem vermutlich relevanten Allergen in der Ambulanz provoziert. Das heißt das Immunsystem wird gezielt mit einer niedrigen Dosis des vermuteten Auslösers konfrontiert. So kann man unnötige Empfehlungen zur Allergenvermeidung verhindern oder aber das richtige Allergen für eine spezifische Allergietherapie auswählen.

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Dr. Sherlock

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Die Ambulanz ist eng mit der Tagesklinik am Clementine Kinder­hospital verbunden. Viele Tests sind zeitlich sehr aufwändig und bedingen eine Beobachtungszeit, die in einer Praxis unter ambulanten Bedingungen nicht durchführbar ist. Hierzu zählen Nahrungsmittel- oder Arznei­mit­tel­pro­vo­ka­tionen bei Kindern mit anaphylaktischen Reaktionen in der Vorgeschichte. In zunehmender Dosis wird ein verdächtiges Nahrungsmittel dem Kind gegeben und die Reaktion darauf dokumentiert. Oft muss das Nahrungsmittel verblindet werden, um psychologische Aspekte oder Aversionen von der echten Allergie abgrenzen zu können. Dazu werden Geschmacks- oder Farbveränderer zugegeben und Place­bo­kon­trollen eingestreut. Andere Kinder bekommen eine Spei­se­röh­ren­sonde (Impedanz-pH-Metrie) eingelegt, um z.B. einen gastroösophagealen Reflux mit Aspiration in die Atemwege ausschließen zu können. In solchen Fällen stehen die Räumlichkeiten der Tagesklinik mit Überwachungsbetten zur Verfügung.

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Uhr­­türmchen 1/2024

In dieser Ausgabe lesen Sie:

  • Für kranke Kinder stark bleiben – Chefarztwechsel am Clementine Kinder­hospital
  • Großes Herz für nierenkranke Kinder – Die Nephrologie am Clementine Kinder­hospital
  • Im Porträt: Patien­ten­für­spre­cherin Marion Weber
  • Teamtrainings für den Notfall – Simulationszentrum für das Bürger­hospital und Clementine Kinder­hospital
  • Im Gespräch: Abschied von Geschäftsführer Wolfgang Heyl
  • Von der Theorie zur Praxis – Das Praktische Jahr für Medizinstudierende am Bürger­hospital

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