Wenn Patienten plötzlich verwirrt sind – vom Umgang mit einem Delir

Während eines Kran­ken­haus­auf­ent­haltes können Patienten mitunter plötzlich einen Verwirrtheitszustand entwickeln. Besonders ältere Menschen weisen ein erhöhtes Risiko auf, ein sogenanntes Delir zu entwickeln, vor allem nach schweren Operationen oder nach einer intensivmedizinischen Behandlung. Holger Johannsen, der Stationsleiter unserer Intensivstation erzählt, wie er und seine Kollegen Patienten mit einem Delir begleiten und wie sie Angehörige unterstützen.

Herr Johannsen, wie macht sich ein Delir bemerkbar?
Wenn Menschen aus einer Narkose aufwachen oder aus anderen Gründen länger intensivmedizinisch behandelt wurden und dann wieder zu sich kommen, sind die meisten Patienten erst einmal verwirrt. Bei älteren Menschen kann dieser Zustand jedoch wesentlich ausgeprägter sein und länger anhalten. Biochemisch ist noch nicht ganz geklärt, was diese Bewusstseins- und Aufmerk­sam­keits­stö­rung auslöst.

Woran kann man ein Delir erkennen?
Auffällig ist ein plötzlich einsetzender Verwirrtheitszustand. Während der Patient zuvor geistig fit und „normal“ wirkte, kommt es nun im Krankenhaus zu einer Orien­tie­rungs­lo­sig­keit oder Angst. Oft wissen die betroffenen Patienten nicht mehr, wo und warum sie in Behandlung sind. Sie wirken unkonzentriert und abgelenkt und erzählen Erlebnisse zum Teil ohne Zusammenhang. In vielen Fällen sind sie zudem aufbrausender und unruhiger als zuvor. Es gibt aber auch Fälle, in denen zuvor aktive Menschen nun apathisch sind.

Wie lange kann so ein Delir anhalten?
Da gibt es keine allgemeingültige Aussage, ein Delir kann von wenigen Stunden über mehrere Tage bis hin zu mehreren Wochen anhalten. Je schwerer die Vorerkrankung war, desto ausgeprägter ist es meist.

Welche Auswirkungen hat dieser Zustand?
Ein Delir schränkt die Kooperation deutlich ein, die der Patient für eine rasche Genesung benötigt. Wissen Sie, wenn ein Patient im Koma lag oder sogar künstlich beatmet wurde, dann könnten wir nach dem Aufwachen mit ersten Reha­bi­li­ta­tions­maß­nahmen beginnen. Aber ein Delir verzögert dies und Patienten können nur erschwert mitwirken. Manchmal können Patienten mit Migra­tions­hin­ter­grund auch die deutsche Sprache nicht mehr abrufen. Dadurch fühlen sie sich noch hilfloser. Andere entwickeln Fluchtgedanken, sie entfernen sich selbst wichtige Zugänge oder Über­wach­ungs­kabel,
versuchen aufzustehen und verletzen sich dabei. Mitunter werden Patienten aber auch verhaltensauffällig, werden laut oder reagieren aggressiv.

Lässt sich ein Delir verhindern?
Unsere Ärzte achten bei der Verordnung von Medikamenten darauf, ob diese das Risiko für ein Delir erhöhen. Auch bei der Narkose wird abgewogen, welche Sedierung in dem individuellen Fall besser geeignet ist, ein Delir zu vermeiden. Aber richtig verhindern lässt sich ein Delir leider nicht. Allerdings kann man viel tun, um angemessen darauf zu reagieren.

Wie begegnen Sie denn auf der Station diesem Verwirrtheitszustand?
Der pflegerische Umgang ist sehr wichtig für den Verlauf eines Delirs. Aber es gibt kein allge­mein­gül­tiges „Rezept“, das bei jedem Patienten hilft. Es sind eher viele kleine Maßnahmen, die etwas bewirken. Jeder, der auf unserer Station arbeitet, fördert auf seine Art die Genesung. Zum Beispiel achten wir drauf, dass wir möglichst schnell wieder einen Tag-Nacht- Rhythmus etablieren. Wir versuchen, die Umgebungsgeräusche zu minimieren – was auf einer Intensivstation leider nicht immer ganz einfach ist. Wir versuchen, so viel Zuwendung wie möglich zu geben, unterhalten uns mit den Patienten. Unsere Therapeuten haben durch ihre logopädischen oder physiotherapeutischen Maßnahmen recht viel Zeit am Stück für jeden Patienten und können sich gut mit ihnen beschäftigen. Sie überlegen sich auch konkrete Maßnahmen, etwa kleine Spiele, die die Aufmerksamkeit fördern. Letztens haben wir mit einem Patienten gesungen, weil er viele Jahre im Männerchor aktiv war. Das hat ihm nicht nur in seinem Delir geholfen, sondern gleichzeitig seine Schluck­mus­ku­latur trainiert. Als Faustregel gilt: Je individueller und ausgiebiger man auf den Patienten eingeht, desto schneller ist ein Delir überwunden. Deswegen ist die Unterstützung durch die Angehörigen auch so wichtig.

Wie binden Sie die Angehörigen ein?
Zunächst ist es wichtig, sie über den Verwirrtheitszustand aufzuklären. Es ist ja auch für Angehörige beängstigend, wenn sich jemand plötzlich auf diese Weise verändert. Wir fangen die Angehörigen erst einmal auf und beruhigen sie. Wenn sie wissen, dass dieser Zustand vorübergehend ist, können sie besser damit umgehen. Dann besprechen wir, wie sie sich aktiv einbringen können. Zunächst ist die bloße Anwesenheit von vertrauten Menschen hilfreich für unsere Patienten. Später können sie auch Dinge von zu Hause mitbringen. Durch Kleinigkeiten können sie eine vertraute Atmosphäre schaffen. Sie können gemeinsam Fotos anschauen, aus Lieblingsbüchern vorlesen oder etwa ein Kissen von daheim mitbringen. Nach Absprache kann auch das selbst gekochte Lieblingsessen mitgebracht werden. All diese eigentlich einfachen Dinge helfen, eine Verbindung zum Alltag, zum früheren Leben zu knüpfen. Sie können ein schnelleres Abklingen der Symptome bewirken.

Das klingt nach sehr viel Zuwendung, die es braucht, um ein Delir zu bewältigen.
Ja, in der Tat ist vor allem die investierte Zeit ausschlaggebend für den Verlauf. Deswegen ist es ungeheuer hilfreich, wenn Familienmitglieder präsent sind und sich einbringen. Wir raten den Angehörigen oft, dass sie sich innerhalb der Familie absprechen und sich in ihren Besuchen abwechseln. Das ermöglicht nicht nur eine bessere Begleitung am Krankenbett, sondern entlastet auch alle Familienmitglieder.

Klinik für Pneumologie, Kardiologie und Beatmungsmedizin mit Sektion Gastro­en­te­ro­logie

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Als Ersatz für die Eltern-Infoabende finden Sie auf folgender Seite Video-Einblicke in unsere Geburtshilfe.

Videos Geburtshilfe

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Herr Johannsen, wie macht sich ein Delir bemerkbar?
Wenn Menschen aus einer Narkose aufwachen oder aus anderen Gründen länger intensivmedizinisch behandelt wurden und dann wieder zu sich kommen, sind die meisten Patienten erst einmal verwirrt. Bei älteren Menschen kann dieser Zustand jedoch wesentlich ausgeprägter sein und länger anhalten. Biochemisch ist noch nicht ganz geklärt, was diese Bewusstseins- und Aufmerk­sam­keits­stö­rung auslöst.

Woran kann man ein Delir erkennen?
Auffällig ist ein plötzlich einsetzender Verwirrtheitszustand. Während der Patient zuvor geistig fit und „normal“ wirkte, kommt es nun im Krankenhaus zu einer Orien­tie­rungs­lo­sig­keit oder Angst. Oft wissen die betroffenen Patienten nicht mehr, wo und warum sie in Behandlung sind. Sie wirken unkonzentriert und abgelenkt und erzählen Erlebnisse zum Teil ohne Zusammenhang. In vielen Fällen sind sie zudem aufbrausender und unruhiger als zuvor. Es gibt aber auch Fälle, in denen zuvor aktive Menschen nun apathisch sind.

Wie lange kann so ein Delir anhalten?
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Wie binden Sie die Angehörigen ein?
Zunächst ist es wichtig, sie über den Verwirrtheitszustand aufzuklären. Es ist ja auch für Angehörige beängstigend, wenn sich jemand plötzlich auf diese Weise verändert. Wir fangen die Angehörigen erst einmal auf und beruhigen sie. Wenn sie wissen, dass dieser Zustand vorübergehend ist, können sie besser damit umgehen. Dann besprechen wir, wie sie sich aktiv einbringen können. Zunächst ist die bloße Anwesenheit von vertrauten Menschen hilfreich für unsere Patienten. Später können sie auch Dinge von zu Hause mitbringen. Durch Kleinigkeiten können sie eine vertraute Atmosphäre schaffen. Sie können gemeinsam Fotos anschauen, aus Lieblingsbüchern vorlesen oder etwa ein Kissen von daheim mitbringen. Nach Absprache kann auch das selbst gekochte Lieblingsessen mitgebracht werden. All diese eigentlich einfachen Dinge helfen, eine Verbindung zum Alltag, zum früheren Leben zu knüpfen. Sie können ein schnelleres Abklingen der Symptome bewirken.

Das klingt nach sehr viel Zuwendung, die es braucht, um ein Delir zu bewältigen.
Ja, in der Tat ist vor allem die investierte Zeit ausschlaggebend für den Verlauf. Deswegen ist es ungeheuer hilfreich, wenn Familienmitglieder präsent sind und sich einbringen. Wir raten den Angehörigen oft, dass sie sich innerhalb der Familie absprechen und sich in ihren Besuchen abwechseln. Das ermöglicht nicht nur eine bessere Begleitung am Krankenbett, sondern entlastet auch alle Familienmitglieder.

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Uhr­­türmchen 2/2024

In dieser Ausgabe lesen Sie:

  • Die Zukunft der Krankenhaushygiene – Hygienestandards verbessern, Schulungen intensivieren, Patien­ten­sich­er­heit erhöhen
  • Wenn das Immunsystem die Luft nimmt – Wie Jugendliche mit autoimmunen Lungenerkrankungen leben lernen
  • IM GESPRÄCH: Neue Klinik für Operative Gynäkologie – Interview mit Chefarzt Prof. Dr. med. Amadeus Hornemann
  • IM FOKUS: Behandlung von Gebärmuttersenkungen – Eine Sehne gibt Hoffnung
  • IM GESPRÄCH: Krebsvorstufen frühzeitig erkennen – Dysplasie-Expertin Dr. med. Franziska Hill berichtet
  • Kreative Heilung: Musik- und Kunsttherapie am Clementine Kinder­hospital 
  • Bürger­hospital und Clementine Kinder­hospital fördern berufliche Weiterqualifizierung
  • Stiftung Friedrichsheim spendet Versorgungseinheit für Frühgeborene

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